Magie

Plötzlich ist er da. Ungefragt taucht er auf. Der magische Moment. Taucht auf aus dem Un- oder dem Unterbewussten. Aus jenem Teil, den wir nicht willentlich steuern können. Aus jenem Teil, der uns steuert. Der magische Moment kündigt sich nicht an.

Bin ich aufmerksam und fähig, nach innen zu hören und hinzuschauen, erkenne ich ihn. Vielleicht. Bin ich achtsam genug, mag ich erahnen und das Flüchtige greifbar machen. Ansonsten ist er spurlos vorbei. Unbeachtet. Ungenutzt. Vorbei gezogen. Eine Möglichkeit.

Als Dozent versuche ich Grundlagen zu legen, damit meine Studierenden magische Momente erleben können. Erleben dürfen. Dazu müssen die Studierenden drei Eigenschaften entwickeln – wenn sie diese noch nicht mitbringen:

  • die Offenheit um Neues kennenzulernen
  • die Aufmerksamkeit, Magisches zu erkennen
  • den Willen, magische Momente erleben zu wollen

Wenn es mir im Unterricht mit seinen vielfältigen Lernformen gelingt, meinen Studierenden zu helfen, alle diese Türen zum eigenen Sein vorurteilslos zu öffnen, kann ich ihnen helfen, sich selber zu befähigen, Magie zu erleben.

Open mind – open heart – open will.

In solchen Prozessen fühle ich mich mit Don Quijote verwandt. Immer wieder gegen diese Windmühlen anrennen. Immer wieder die gleichen fixen Prägungen angehen. Dies nicht als Angriff. Ich bin als Optionenkellner unterwegs, der andere Sichtweisen, Denkweisen, Interpretationen, Perspektiven anbietet.

Selbstverständlich brauche ich dabei etwas Belohnung. Aus diesem Grund machen wir ja alles, was wir tun. Diese meine Belohnung ist immer Magie. Dann etwa, wenn eine:r meiner Studierenden sagt:

„Hätte ich nur früher verstanden, was alles in diesem Inhalt steckt, hätte ich viel mehr Zeit investiert, um noch mehr mitnehmen zu können für meinen weiteren Weg.“


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Ich

Das Ich ist kein anderer.

An sich banal. Das Ich bin ich. Oder? Oder doch nicht? Das Ich habe doch ich selber gemacht. Oder ist mein Ich von jemand anderem gemacht worden? Ist das Ich ein von fremder Hand hergestelltes Produkt? Und wenn es denn gemacht ist, ist es dann dennoch Ich oder ist es, weil es nicht von mir kommt, jemand anderer? Oder ist es doch Ich? Egal, wer die Verantwortung dafür übernehmen muss, wie dieses Ich herausgekommen ist? Elternhaus, Lehrpersonen, Kolleginnen und Kollegen, Umwelt, falsche und richtige Freunde. Und noch weiter: wenn mein Ich denn gemacht worden ist, habe ich die Erlaubnis dazu gegeben? Oder war ich noch zu jung? Zu unfertig? Und wurde gemacht ohne zu fragen? Bin ich somit ein fremdgesteuertes Produkt mit integriertem Steuerungsmodul?

Habe ich mich schon gefragt, wer ich bin? Habe ich es wissen wollen? Oder genügt es mir, die 24 Stunden jeden Tag hinter mich zu bringen? Zu funktionieren, die Zeit zu erledigen, müde zu werden, um abends schlafen zu können? Oder habe ich mehr Ansprüche an mein Leben? Mehr als nur panem et circensis (Juvenal, 1. Jh.n.Chr.)? Ist es dazu notwendig, zu wissen, wer dieser Ich ist? Oder genügt einfach zu sein? Klassisch oder operant konditioniert durchs Leben bis hin zum Ausgang zu gehen – ferngesteuert…

Habe ich schon festgestellt, wer ich bin? Ich bin dran. Jeden Tag. Ich stelle meine Momente auf den Prüfstand und spiegle sie an meinen Werten, die ich mir im Laufe der letzten 12 Jahre erarbeitet habe. Ich habe versucht, meine Werte in Einklang mit meiner Umwelt zu bringen, wobei ich mit Umwelt alles meine, das mich umgibt. Eben die Welt um mich herum – meine Umwelt. Ich stehe hin, wenn es darum geht, dass ich hinstehen muss. Ich stelle keinen Platzhalter hin. Ich übernehme die Verantwortung für meine Tätigkeiten und für meine Taten. Und für das, was ich nicht getan habe – aber hätte tun müssen. Ich gleiche mich im Austausch mit anderen stetig ab, um zu prüfen, ob sich meine Vorstellung meines Ich mit der Fremdwahrnehmung des Ich deckt. Ich lerne mein Ich kennen. Jeden Tag etwas mehr. Eine faszinierende Reise zu mir.

Es gibt keine Entschuldigung: das Ich bin ich und kein anderer.

Strategie – nicht nur auf das Schach anwendbar

Bereitete ich mich früher auf eine Schachpartie vor, überlegte ich mir, wer mir gegenüber sitzt? Ist es ein Mann oder eine Frau? In 99.9% der Fälle waren es Männer. Wie spielt er? Ist er eher der aggressive Draufgänger, der sich provozieren lässt? Ist er der Denker, der sich nicht aus der Ruhe bringen lässt? Ist er der Haudegen, der gerne die Ärmel nach hinten krempelt und wilde Varianten spielt? Oder ist er der Langweiler, der nichts anbrennen lässt, der stets den sichersten Zug findet, die Stellung nicht aus dem Gleichgewicht bringen lässt. Und sich erst recht nicht. Und vor allem: kenne ich mein Gegenüber? Mag ich mein Gegenüber?

Dann bin ich die Rahmenbedingungen durchgegangen. Spiele ich in der Mannschaft, und will meine Mannschaft, dass ich gewinne? Oder reicht ein Unentschieden? Oder darf ich einfach auf keinen Fall verlieren? Oder spiele ich in einem Einzelturnier? Ist es die erste oder die siebte Partie des Turniers? Kann ich noch Turniersieger werden, oder kommt es schon lange nicht mehr darauf an? Spiele ich mit den weissen oder den schwarzen Figuren? Ist die Partie nachmittags oder abends? Muss ich weit reisen oder spiele ich in der Nähe und kann zu Fuss hingehen?

Ich musste mich fragen, wie es mir geht. Meine Befindlichkeit prüfen. Bin ich ausgeruht, habe ich Energie? Ist mein Kopf frei, oder beschäftigen mich Themen aus meinem Umfeld? Schaffe ich es, mich zu fokussieren auf die 64 Felder, oder wird das Schachbrett um so viele Felder erweitert, dass ich es nicht mehr überblicken kann? Bin ich bereit für die Partie? Und wenn nein, was muss ich noch machen, dass ich es bin?

Entsprechend all dieser Einflussfaktoren habe ich mir meine Strategie zurechtgelegt. Sicher spielen. Angriffig spielen. Abwartend spielen. Riskant spielen. Etwas wagen. Nichts wagen. Schon vor dem ersten Zug bin ich die Partie durchgegangen. Prägte mir ein, was ich auf keinen Fall machen will, was ich unbedingt machen will. Meine Strategie gab mir meine Leitplanken mit, die meinem Denken und Handeln den Rahmen gaben. Perfekt vorbereitet. Alles durchdacht. Alles bereit.

Und dann spielt er 1. e2-e4 statt wie immer 1. d2-d4…

Klarheit

VUCA in aller Munde. Nach dem Motto: die Zeit fährt Auto, doch kein Mensch kann lenken (Erich Kästner). Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity regieren die Welt. Nicht erst seit gestern. Schon immer? Und wir haben’s nicht wahrgenommen? In der Meinung, wir planen und hätten’s deshalb im Griff?

Auf meine Frage, seit wann meine Studierenden diese VUCA Welt in dieser Art erleben, meinten einige der älteren Semester, „… seit dem Aufkommen des World Wide Web“. Dies habe die gesamte Entwicklung beschleunigt und gleichzeitig destabilisiert. Das selber vorgegebene Metronom ist noch immer dasselbe. Sekunde für Sekunde. Doch der BPM (Beats pro Minute) nimmt zu. Es haben immer mehr Schläge pro Sekunde Platz. Bis das Ganze platzt? Unser Herzschlag ist auf +/- 60 BPM eingestellt.

Unser Handeln in Modellen gibt Sicherheit. Unser Handeln nach Plänen gibt Sicherheit. Aus Erfahrung wissen wir, dass es bei der letzten Durchführung erfolgreich war, das was wir so gemacht hatten. Wir sprechen sogar von Best Practice. Wer auch immer definiert, was Best sei…

Was ist Best Practice für morgen?

An VUCA gefällt mir, dass VUCA die Antwort auf VUCA ist. Gemeinsam mit unseren Begleitern eine lebenswerte Vision entwickeln, die wegkommt vom individualisierten Nutzenmaximieren. Unseren Begleitern Verständnis (Understanding) entgegenzubringen und ihnen echt zuzuhören, damit wir angemessen auf sie eingehen können. Bedeutet auch, unsere (vor)gefassten Meinungen zu hinterfragen. Uns selbst herausfordern. Alle diese Black Boxes, die uns umgeben, all das, was wir nicht mehr durchschauen und erklären können – und damit meine ich nicht nur die Funktionsweise eines Faxes – entfremden uns von dem, was uns als Menschen ausmacht. Wurzeln finden. Hier ist Klarheit (Clarity) von Nöten. Überall, wo wir mit komplexer Unklarheit in Berührung kommen, die Komplexität so weit herunterbrachen, bis wir überschaubare und kontrollierbare Systeme erhalten. Mit Klarheit die Kontrolle über unser Leben wieder erlangen.

Divide et impera. (ev Niccolò Machiavelli)

Und an Stelle der Mehrdeutigkeit (Ambiguity), die zeigt, dass heute eben keine Klarheit mehr herrscht darin, wie die Dinge sind (Dinge sind sowieso nicht – sie sind so, wie wir sie sehen), müssen wir Agilität setzen. Wir müssen beweglich werden, die starren Konstrukte von scheinbaren strukturellen Unterstützungen hinterfragen und uns in Richtung offenem Denken und Handeln entwickeln. Genau. Entwickeln. Tag für Tag.

Wie schaffe ich Klarheit? Ganz einfach. Ich kläre Unklarheiten.

Lasse mir Zeit, Dinge wirklich zu verstehen. Hinterfrage. Nehme Dinge nicht als gegeben. Bleibe aufmerksam und lasse mich nicht einlullen von Tempo und Menge. Entschleunigen. Wenn du’s eilig hast, gehe langsam.

Schauen Sie sich meinen bescheidenen Beitrag zu VUCA auf youtube an.

Ein Beitrag vom 18. April 2020

Fluss

Neulich sass ich am Fluss und schaute ins vorbeiströmende Wasser. Freute mich am reflektierenden Licht der untergehenden Sonne. Wärme stieg in mir auf. Ruhe. Zufriedenheit. Kurzentschlossen zog ich meine Kleider aus und glitt ins Nass. Nackt. So wie ich in diese Welt gekommen war. Frische umfing mich. Wasser. Genau wie damals. Heimat.

Ich schliesse die Augen, spüre den Zug des Wassers. Tauche unter. Gebe den Kontakt zum Boden auf. Übergebe mich dem Fluss und seiner Kraft. Keinen Widerstand leisten. Hingabe. Er nimmt mich mit. Fraglos.

Eins werden mit dem Element Wasser. Verschmelzen.

Ich gleite. Sanft. Stetig. Kein Ruckeln. Eine gleichmässig weiche Bewegung entführt mich. Das Ziel ist unausweichlich. Das Meer. Dort enden alle Flüsse. Ich komme mit.

Schritt

Zögerlich? Mutig? Vorsichtig? Sicher? Leise? Polternd? Vorwärts? Rückwärts? Hoch? Runter?

Ein Schritt. Ein erster Schritt. Vielleicht ein zweiter gleich danach. Der Anfang eines Weges. Aufmachen für die Reise. Meine beginnt mit dem ersten Schritt. Benötigt danach ganz viele weitere. Vielleicht ist schon ein Schritt eine Reise. Reisen ohne zu Schreiten. Mikrokosmos.

Wie oft habe ich mir den Weg vorgestellt? Tage. Wochen. Jahre. Immer wieder daran gedacht, diesen ersten Schritt zu tun. Unsicher, ob er der richtige sei. Abgewogen. Geprüft. Versucht zu berechnen, was denn heraus käme, machte ich diesen Schritt. Habe mir Varianten vorgestellt. In Optionen gedacht. Ohne auch nur einen Schritt zu machen. Und wenn er falsch ist?

Egal. Ich hatte genug davon. Genug vom Zaudern. Genug vom Rechnen. Genug vom Abwägen. Ich will gehen. Mich aufmachen um weiter zu kommen. Vielleicht war der erste Schritt nicht passend. Mit dem zweiten passte ich ihn etwas an. Und mit dem dritten erneut. Justieren. Das Gleichgewicht suchend bewegte ich mich. Schritt um Schritt. Vorwärts. Das Gleichgewicht findend hob ich meinen Blick und schaute zum Horizont, der, obwohl stetig näherkommend, dennoch unerreichbar fern blieb.

Ich bin unterwegs.

Anzeigetafel

Die Uhr tickt. Ich schaue nicht hin.
Termine stehen an. Ich blende sie aus.
Das Alarmsignal leuchtet. Interessiert mich nicht.
Die Energie geht aus. Ich ignoriere das.
Das Cockpit blinkt dunkelrot. Na und?

Weiter. Schneller. Höher. Teurer. Ohne Beachtung der Informationen der Systeme. Effizient bleiben. Auch wenn die Effektivität längst verloren gegangen ist. Hocheffizient das Falsche tun. Weg vom stimmigen Weg. Sackgasse. Holzweg. Weit entfernt von mir.

Die Anzeigetafel mit den wichtigsten Instrumenten zur Dokumentation der Situation ist eine ausgezeichnete Erfindung. Der Umgang damit eine herausfordernde Angelegenheit. Lernen mit den Meldungen umzugehen. Für wahr nehmen. Hinschauen. Auswerten. Handlungen und Verhaltensweisen anpassen. Ein steter Prozess. Planen. Tun. Prüfen. Anpassen.

Das Cockpit meines Lebens ist einfach gestaltet. Wenige dafür prägnante Rückmeldungen meiner Systeme. Die fünf Apparate heissen „Tut mir gut“, „Bringt mich weiter“, „Ist ethisch“, „Entspricht meinen big five for life“, „Schafft Mehrwert“. Je drei Leuchten: grün, orange und rot. Sukzessive sind die roten Tätigkeiten so verändert worden, dass die Signale erst orange und dann grün wurden. Die grünen werden gefördert.

Und täglich wird geprüft, ob nicht der Stromkreis, der Kontakt oder die Lämpchen defekt sind. Nicht nur das Cockpit prüfen, sondern auch das System.

Hafen

Meine Segelyacht habe ich im Hafen vertäut. Sturmsicher festgebunden. Obwohl es hier hinter der Hafenmauer kaum Wind gibt. Sicher ist sicher.

Das gesamte Schiff ist überholt. Kanister und Vorratsraum sind voll. Die Instrumente sind geprüft. Das Schiff ist bereit und wartet.

Ich bin es nicht. Ich warte auch. Aber worauf?

Noch habe ich nicht alle nautischen Karten studiert. Nicht alle meteorologischen Informationen ausgewertet. Nicht alle Checklisten zum dritten Mal durchgearbeitet. Ich bin Spezialist geworden im Erfinden von fadenscheinigen Entschuldigungen. Ein Selbstbetrüger.

Wohin will ich? Weg, das ist klar. Aber wohin? Kann „weg“ ein Ziel sein? Seit Wochen liege ich mit meiner Yacht hier. Noch keine Sekunde auf hoher See. Dabei habe ich extra den Hochseeschein gemacht. Extra dieses Boot gekauft. Meinen Traum verwirklichen – das war die Absicht.

Dennoch zögere ich. Leinen lösen. Segel hissen. Den festen Boden verlassen. Freiheit. Ein seltsames Tier. Will ich auf die andere Seite des Horizonts mit all seinen Unsicherheiten? Ist doch schön hier im Hafen.

Türe

Sie ist zu.

Stehe ich davor? Oder stehe ich dahinter? Gehe ich hinein? Oder gehe ich heraus?
Die Türe vor mir. Ein weisses Rechteck. Normmass. 834 x 2097.
Mit einer metallenen Klinke und einem Schloss. Der Schlüssel steckt.
Und jetzt?

Meine Türe für meinen neuen Tag. Nehme ich die Herausforderung an und öffne sie? Lasse ich sie geschlossen und warte?
Worauf? Auf Hilfe? Auf Erkenntnis? Bin ich mutig? Gehe ich weiter? Bleibe ich im Zimmer von heute?
Nein. Ich will weiter.

Meine linke Hand auf der Klinke. Ich drücke sie. Kühles Metall. Die Türe ist verschlossen. Ich drücke nochmals. Verschlossen. Nochmals. Nochmals. Gleiches Tun bringt gleiches Resultat. Die Türe bleibt zu.

Ich will eine Veränderung. Meine rechte Hand fasst den Schlüssel und dreht ihn entschlossen nach links. Zweimal.
Und jetzt?

Aufstehen

Bevor ich aufstehe, erwache ich. Will mich nicht schlafwandelnd bewegen.

Will meinen Weg zusammen mit all meinen Sinnen und meinem Bewusstsein unter die Füsse nehmen. Am liebsten aufrecht. Nicht gebückt. Nicht mit einem Knick in der Hüfte. Im Gegenteil. Mein gerader Rücken strahlt Präsenz aus. Mein Kopf ist erhoben. Nicht einfach ungefähr. Sondern bewusst. Selbstbewusst. Nicht überheblich. Das Lächeln auf meinen Lippen zeugt von Zuversicht. Ich bin hier. Bereit für das Kommende. Komm Leben, ich bin bereit für dich.

Den Weg, den ich gehen will, kenne ich nicht. Bin ihn noch nie gegangen. Habe eine nahezu klare Vorstellung meines Ziels. Ich weiss nicht, was morgen sein wird. Ich tue heute alles, damit morgen das geschehen wird, was ich vom Morgen erwarte. Das habe ich gestern schon gemacht. Und vorgestern. Heute war gestern morgen.

Ich bleibe flexibel und meinen Zielen treu. Ich vertraue meinen Fähigkeiten und meiner Kraft. Mutig. Zuerst stehe ich auf.